Mit Wälzschälen zu präzisen Planetengetrieben

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Praxis und Produkte Von  Maxime Mader veröffentlicht am  25/10/2023
Mit Wälzschälen zu präzisen Planetengetrieben
Für das Wälzschälen setzt man bei Neugart auf Werkzeugsysteme von HORN. Quelle: HORN/Sauermann

Im Jahr 1928 startete Karl Neugart im Schwarzwald mit der Produktion von Verzahnungsteilen. Fast 100 Jahre später gilt das Unternehmen als Top-Lieferant für Präzisionsgetriebe. „Unser Know-how haben wir uns lange erarbeitet“, so der Prozessentwickler der Neugart GmbH, Christoph Wangler. Für die Fertigung der Getriebebauteile setzt das Unternehmen neben anderen Fertigungsverfahren auf den Prozess Wälzschälen. Mit der Paul Horn GmbH hat Neugart hierzu den richtigen Werkzeugpartner gefunden. Aus einer reinen Lieferanten-Kundenbeziehung hat sich mittlerweile eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Unternehmen für die Entwicklung neuer Wälzschälwerkzeuge entwickelt.

Unser Gründer Karl Neugart begann Ende der zwanziger Jahre mit der Produktion von Verzahnungsbauteilen für mechanische Geräte und Büromaschinen“, erzählt Wangler. Heute entwickelt und produziert das Unternehmen mit weltweit 750 Mitarbeitern Planetengetriebe und kundenspezifische Sondergetriebe. Die Verzahnungs-Einzelteile fertigt das Familienunternehmen ausschließlich am Hauptsitz im südbadischen Kippenheim. Mit der Expertise in der Fertigung der Planeten- und kundenspezifischen Getrieben in über 14 Millionen möglichen Produktkonfigurationen liefert Neugart rund 450.000 Getriebe pro Jahr unter anderem an die Automatisierungs-, Verpackungs-, Werkzeugmaschinen- und Lebensmittelindustrie. Darüber hinaus entwickelte Neugart das weltweit erste Planetengetriebe im Hygienic Design für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie und Medizintechnik.

Sonne und Planeten

Bei einem Umlaufrädergetriebe laufen mehrere gleichmäßig auf den Umfang verteilte Stirnräder, zwischen einem innenverzahnten und außenverzahnten Zahnrad, auf einer konzentrischen Kreisbahn um. Das Umlaufen der Stirnräder erfolgt in Analogie zur Laufbahn von Planeten im Sonnensystem. Daher werden Umlaufrädergetriebe auch als Planetenradgetriebe beziehungsweise Planetengetriebe bezeichnet. Das Gehäuse mit integrierter Innenverzahnung wird als Hohlrad bezeichnet. In den häufigsten Fällen ist das Gehäuse feststehend. Das antreibende Sonnenritzel befindet sich im Zentrum des Hohlrades und ist koaxial zum Abtrieb angeordnet. Das Sonnenritzel ist gewöhnlich mit einem Spannsystem verbunden, um die mechanische Verbindung zur Motorwelle zu ermöglichen. Im Betrieb wälzen die Planetenräder, welche auf einem Planetenträger gelagert sind, zwischen dem Sonnenritzel und dem Hohlrad. Der Planetenträger bildet gleichzeitig die Abtriebswelle des Getriebes. Die Planetenräder haben lediglich die Funktion, das erforderliche Drehmoment zu übertragen. Ihre Zähnezahl hat keinen Einfluss auf die Übersetzung des Getriebes.

Für die Fertigung von Innenverzahnungen bei den Hohlrädern insbesondere für den Einsatz in Präzisionsgetrieben setzt das Unternehmen auf den Prozess Wälzschälen. „Beim Wälzschälen setzen wir ausschließlich auf Werkzeuge von HORN. Die Leistung und die Präzision haben uns überzeugt“, sagt Wangler. Neugart setzt das Wälzschälen im Modulbereich von 0,5 bis 2 ein. „Wir arbeiten schon länger mit Neugart zusammen. Die intensive Kooperation beim Wälzschälen begann vor rund vier Jahren“, erzählt der Horn-Außendienstmitarbeiter Karl Schonhardt.

Über 40 verschiedene Wälzschälräder sind bei Neugart mittlerweile in der Serienproduktion im Einsatz. Für die Entwicklung neuer Werkzeuge stehen die Konstruktionen beider Unternehmen in engem Kontakt. Die Werkzeugtests und die Ermittlungen der passenden Schnittdaten für den Wälzschälprozess von neuen Typen geschieht meist bei HORN im Vorführ- und Versuchszentrum. „Somit kann das neue Werkzeug beim Kunden sofort eingesetzt werden“, so Schonhardt. Andersrum bietet Neugart HORN auch die Möglichkeit von Feldversuchen neu entwickelter Werkzeugsysteme. „Wir sehen die enge Zusammenarbeit beim Prozess Wälzschälen als sehr wichtig an. Um das optimale Zerspanungsergebnis zu erhalten, sollte die Zusammenarbeit präzise aufeinander abgestimmt funktionieren wie in einem unserer Getriebe – und das tut sie“, so Wangler.

Über 40 Varianten der Präzisionswerkzeuge sind bei Neugart von Modul 0,5 bis 2 im Einsatz. Quelle: HORN/Sauermann

Zeit und Präzision

Für das Wälzschälen der Hohlräder setzt man bei Neugart auf eine Maschine von DMG MORI. „Mit der CTX beta 1250 TC haben wir eine flexible Maschine mit bedienerfreundlichen Zyklen, auf der die Wälzschälprozesse sicher laufen“, erklärt Wangler. Vor der Einführung des Wälzschälprozesses setzte man bei Neugart auf das Verzahnungsstoßen und -räumen. Die Umstellung auf das Wälzschälen erbrachte viele Vorteile in der Zeiteinsparung und erreichbare Präzision sowie die Güteklassen der Verzahnungen. Die höhere Präzision spielte insbesondere bei der Fertigung der Bauteile für die Präzisionsgetriebe eine große Rolle.

Das Werkzeugsystem umfasst Werkzeuge zum hochproduktiven Herstellen von Innenverzahnungen, Passverzahnungen und anderen Innenprofilen sowie von Außenverzahnungen mit Störkanten. Die wichtigsten Vorteile des Wälzschälens bei diesen Anwendungen sind die deutlich kürzeren Prozesszeiten im Vergleich zum Verzahnungsstoßen, der Einsatz auf optimierten Dreh-Fräs-Zentren, das Drehen und Verzahnen in einer Aufspannung und der Verzicht auf Freistiche am Verzahnungsende. Darüber hinaus überzeugt die meist produktivere und kostengünstigere Herstellung gegenüber dem Wälzstoßen und Räumen und die im Vergleich zum Nutstoßen vier- bis fünffach kürzere Zykluszeit. Dies zeigt sich auch in der Möglichkeit zur Hartbearbeitung von Verzahnungen ins Volle. Die Wälzschälwerkzeuge sind zum Verzahnen mittlerer bis großer Lose konzipiert. Dabei ist jedes Werkzeug individuell dem Einsatz und dem zu bearbeitenden Werkstoff angepasst, wobei sich die unterschiedlichen Werkzeugschnittstellen an der Zähnezahl und Modulgröße orientieren.

Speziell bei Innenverzahnungen zeigt Horn beispielsweise bei größeren Modulen den Vorteil einer kurzen Prozesszeit. Für das Wälzschälen größerer Module sind große und steife Fräs-/Drehzentren erforderlich, welche die entsprechende Synchronisation zwischen Werkstück- und Werkzeugspindel ermöglichen. Je größer das Modul, umso kritischer ist das Thema Maschine in Bezug auf die Steifigkeit. Mit einer Schnittaufteilung auf die linken und rechten Flanken lässt sich dieses Thema werkzeugseitig entkräften. Nach den Erfahrungen mit kleinen Vollhartmetall-Wälzschälwerkzeugen nutzte Horn das gewonnene Know-how, um auch größere Module abzudecken. Jede Anwendung wird von den Technikern vor der Umsetzung auf die Machbarkeit geprüft und die Werkzeugauslegung sowie die Empfehlungen für den Prozess mit dem Anwender besprochen.

Enge Zusammenarbeit: Karl Schonhardt im Gespräch mit Christoph Wangler. Quelle: HORN/Sauermann

Vollhartmetall oder mit Wechselkopf

Das System umfasst Werkzeuge in zylindrischer oder konischer Form für Module von 0,5 bis 2. Die Vollhartmetall-Monoblock-Variante ist mit einem Durchmesser von bis zu 20 mm und in schlanker Bauform lieferbar. Sie kommen bei kleinen Modulen und kleinen Bauteilen zum Einsatz vorzugsweise dann, wenn wegen der Kollisionsgefahr ein schlanker Schaft benötigt wird. Die auf den Anwendungsfall abgestimmten Schneidstoffe und Beschichtungen erzeugen hohe Oberflächenqualitäten am Werkstück. Bei Werkzeugdurchmessern über 20 mm werden Wälzschälwerkzeuge mit Wechselkopfsystem eingesetzt. Die präzise Schnittstelle erlaubt das einfache Wechseln des Schneidkopfes in der Maschine, ohne Ausbau des Halters. Der Halter aus Hartmetall sichert eine hohe Steifigkeit, Verschleißfestigkeit und Präzision. Bei den größeren Modulen setzt Horn auf den Einsatz eines Werkzeugträgers bestückt mit Wendeschneidplatten. Speziell beim Werkzeugtyp WSR bietet Horn die Möglichkeit, die innere Kühlmittelzufuhr vor oder hinter die Schneide zu legen. Damit können je nach Anwendungsfall Sackloch-, Durchgangs- oder Stufenbohrungen mit der passenden Kühlung bearbeitet werden.

Nicht nur Wälzschälen

Bei Neugart setzt man seit rund vier Jahren auf die Wälzschäl-Lösungen von HORN. Die Zusammenarbeit besteht jedoch schon viel länger. So kommen auch andere Werkzeugsysteme zum Abstechen, Einstechen mit Formplatten und weitere Werkzeuge zum Einsatz. „Wir sind mit der Leistung und Zuverlässigkeit der HORN-Werkzeuge sehr zufrieden. Des Weiteren loben wir auch die schnellen Lieferzeiten. Somit können wir bei eiligen Kundenanfragen schnell reagieren“. sagt Wangler.

Auszug aus dem Produktportfolio: Ein Planetengetriebe von Neugart. Quelle: Neugart GmbH

HARTMETALL-WERKZEUGFABRIK PAUL HORN http://www.phorn.de
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Maxime Mader

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