Hochglanzfräsen statt Polieren
Dass man für das Fräsen von hochglänzenden Oberflächen von Kunststoffen keine Spezialmaschinen benötigt, zeigt ein Anwendungsfall aus dem bayrischen Germering. Das Unternehmen Enggruber beweist in Zusammenarbeit mit der Paul Horn GmbH glasklar, dass dies auch mit konventionellen Maschinen funktioniert. Zum Einsatz kommen hier werkzeugseitig monokristaline Diamanten, welche sonst in der Ultrapräszisionszerspanung für Oberflächengüten im Bereich von Nanometern sorgen. „Die Qualität der Werkzeugschneide ist der maßgebliche Faktor für die erreichbare Oberflächenqualität“, sagt der Horn-Werkzeugspezialist und Produktmanager für hochharte Schneidstoffe Aribert Schroth.
Im westlich von München gelegenen Germering, in einem von außen unscheinbaren Industriegebäude, vermutet man nicht, dass hier hochqualitative Acrylglas-Displays für das „who-is-who“ verschiedenster Branchen entstehen. In der Displaybranche gilt Thomas Enggruber als „Red Adair“ – der berühmte Feuerwehrmann. Mit seinem langjährigen Know-how löscht er Brände und löst Aufgaben, bevor sie zum Problem werden. Zu seinem Portfolio gehören Kosmetik-Displays, Awards und Pokale, Möbel und weitere Produkte aus Acryl- und Plexiglas. Auch eigene Produkte fertigt Enggruber in seiner Manufaktur. So produziert er beispielsweise Bilderrahmen mit 3D-Effekt und edle Schneidebretter aus dem glasklaren Kunststoff.
Feuer und Flamme
„Auch in unserer Manufaktur schauen wir genau auf unsere Prozesse und suchen ständig nach dem Potential diese weiter zu optimieren“ erzählt Enggruber. Ein großes Ziel war die Bearbeitung der Kanten von Acrylglas-Blöcken oder Platten. „Das Rohmaterial bekommen wir in Form von Sägeszuschnitten. Im Produktionsprozess großer Platten sind zwei Seiten schon glasklar und werden mit Schutzfolien beklebt. Durch Zuschnitt der Platten sind jedoch die anderen vier Seiten im Anlieferungszustand sägerau“, erklärt Enggruber. Um diese rauen Kanten glasklar zu bearbeiten, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Zum einen lässt sich Acrylglas mit einer Flamme „polieren“. Hierbei wird eine Flamme aus einem Acetylen-Brenner vorsichtig über die Kanten geführt. Dadurch entsteht eine klare Oberfläche, welche jedoch nicht „perfekt“ eben ist. Darüber hinaus können auch leichte Haarrisse an den Kanten entstehen. Zum anderen können die Kanten von Hand an einer Poliermaschine, auch Schwabbeln genannt, zum Glänzen gebracht werden. Das Schwabbeln liefert ein glänzendes Ergebnis, bedarf aber gerade bei großen Stückzahlen einen hohen Zeitaufwand.
Ein weiterer Bearbeitungsprozess zur Bearbeitung der Kanten ist das Fräsen mit monokristalinen Diamanten (MKD) bestückten Werkzeugen. Enggruber setzte schon seit längerem auf dieses Verfahren, jedoch waren die Oberflächenergebnisse für ihn nicht komplett zufriedenstellend. Des Weiteren störte ihn das aufwändige Handling sowie die Einstellung der vorher eingesetzten Werkzeugsysteme. „Um die Schneidplatte zu wechseln, mussten wir das ganze Werkzeug ausbauen und danach wieder neu justieren. Dies war jedes Mal mit einem hohen Zeitaufwand verbunden“, so Enggruber. Um diesen Aufwand und das Ergebnis zu optimieren, machte sich Enggruber auf die Suche nach einer neuen Werkzeuglösung.
Supermini im Einsatz
Ein Hochglanz-Bearbeitungsvideo von Horn auf einer bekannten Online-Videoplattform weckte die Neugier von Enggruber, der daraufhin den zuständigen Horn-Außendienstmitarbeiter Helmut Hoffmann kontaktierte. Zusammen mit Aribert Schroth analysierte Hoffmann die Probleme von Enggruber und entwickelten eine neue und bedienerfreundlichere Lösung. „Mit unserem Know-how bei wechselbaren Schneideinsätzen lag die Lösung schnell auf der Hand“, so Hoffmann. Der schon vorhandene Fräsergrundkörper ist mit Posalux-Schnittstellen zur Aufnahme der Schneideinsätze ausgestattet. Die Horn-Techniker konstruierten somit eine Posalux-Kassette, in welcher der Plattensitz für die Horn-Schneidplatte gefräst ist. Die Wahl der Schneidplatte fiel auf das Horn-Werkzeugsystem Supermini in einer Sonderform, welches über eine Spannschraube in der Kassette einfach und präzise von vorne gespannt werden kann. Somit entfiel der komplette Ausbau des Fräsergrundkörpers.
Die Fräswerkzeuge sind mehrschneidig mit bis zu fünf Zähnen und einem Durchmesser von 120 mm ausgeführt. Pro Werkzeug ist jedoch nur eine MKD-Schneide bestückt. Die anderen Schneiden dienen nur als Vorschneider und sind im Planlauf um rund 0,1 mm zurückgesetzt. „Zur Erzeugung der hochglänzenden Oberfläche kommt zwingend nur eine MKD-Schneide zum Einsatz, um die Oberfläche durch den Nachschnitt nicht wieder zu beschädigen“, erklärt Schroth.
Bei Enggruber kommen zum Hochglanzfräsen der Kanten zwei verschiedene Maschinen zum Einsatz, welche ursprünglich aus der Holzindustrie stammen. „In unserer Branche setzt man seit langem auf dieses Maschinenkonzept, der Polierfräsmaschinen“, so Enggruber. Die Maschinen haben nur eine Achse, welche die Fräsoperation ausführt. Die Spannung der Acrylglas-Blöcke oder Platten übernimmt ein mit Schaumstoff gepolsterter Niederhalter. Das andere Maschinenkonzept ähnelt einer Hobelmaschine. Hierbei wird das Werkstück zwischen zwei breiten Riemen gespannt und über den Fräser geführt.
Handwerkskunst
Um Oberflächengüten mit Spiegelglanz zu erzeugen, spielt die Qualität der Werkzeugschneidkante die entscheidende Rolle. Die Qualität der Schneidkante spiegelt sich in der zu bearbeitenden Oberfläche wider. Der finale Schliff beziehungsweise die Politur der MKD-Schneide gleicht einer Handwerkskunst. Ähnlich wie beim Schliff eines Schmuck-Brillanten geschieht das Finishing einer Werkzeugschneide für die Hochglanzzerspanung mit einer Schleifzange von Hand. Optimale Voraussetzungen zum Schleifen der Schneiden ermöglichen luftgelagerte Schleiftische mit einer Tischplatte aus massivem Granit. Für die optische Kontrolle wird ein Mikroskop mit 200-facher Vergrößerung genutzt. Unter dieser Vergrößerung muss die Schneidkante absolut schartenfrei sein. Die dabei entstehende Schneide hat einen Radius vom maximal 0,0002 mm.
Bei der Hochglanzzerspanung kommen hauptsächlich synthetische Diamanten zum Einsatz. Zur Herstellung der synthetischen Steine kommen zwei unterschiedliche Verfahren in Betracht. Beim HPHT-Verfahren (High Pressure, High Temperature) entstehen die Diamanten unter hohem Druck und großer Hitze. Also auf fast natürlichem Wege, nur nicht über Millionen Jahre, sondern innerhalb einiger Stunden oder Tage, je nach gewünschter Größe. Hierbei wird reines Graphitpulver mit einem Druck von 60.000 Bar und einer Temperatur von 1.500 Grad Celsius zu einem Diamanten umgewandelt. Diamanten aus diesem Prozess kennzeichnen sich durch eine leichte gelbliche Färbung, die durch die Lichtbrechung von eingelagerten Stickstoffatomen entsteht. Die maximale Kantenlänge der synthetischen Steine liegt bei 10 mm. Dimensionen darüber hinaus sind theoretisch möglich, wären jedoch nicht wirtschaftlich.
Horn setzt bei der Bestückung der MKD-Werkzeuge auf die noch reineren MCC-Diamanten. Diese monokristalinen Steine entstehen durch das CVD-Verfahren. Als Kohlenstoffquelle dienen verschiedene Gase, hauptsächlich Methan, die sich im Prozess abscheiden und den Diamanten wachsen lassen. Die Diamanten kennzeichnen ihre glasklare bis, je nach Dicke, leicht bräunliche Farbe. Ein großer Vorteil dieses Verfahrens ist die mögliche Kantenlänge der Steine. So können auch lange Bestückungen mit beispielsweise 30 mm Schneidkantenlänge realisiert werden. Für solche Werkzeuge musste man davor auf natürliche Diamanten zurückgreifen, die durch den hohen Preis, die Verfügbarkeit und die natürlichen Einschlüsse nur schwer zu realisieren sind.
Kunde zufrieden
Die Aufgabestellung von Enggruber erreichten Schroth und Hoffmann mit der gebotenen Lösung. „Wir sind sehr zufrieden mit der Lösung unseres Problems. Die Beratung, der Service und das technische Know-how von Horn haben uns überzeugt“, so Enggruber.